Niger

 

 

Vorbemerkung 1

 

 

Eigentlich wollte ich nur über den Sudan berichten, aber Jonas übt sich als Studiosi und hat keine Zeit. Außerdem sei es nur gerecht, wenn ich wenigstens noch über den Niger berichte. Stimmt wohl. Die Chronologie - zumindest der Vorbemerkungen - stimmt also nicht und ist etwas verwirrend. Aber egal.

 

Vorbemerkung 2

 

Wie stets, war uns unser Reiseführer ein treuer Begleiter. (Der Klaus.)

Diese unnachahmliche Mischung aus „Per Anhalter durch die Galaxis“ und „Gullivers  Reisen“ war uns ein Licht im schwarzen Afrika.

Vor allem abends bereitete es uns immer wieder große Freude, eine Passage vorzulesen und mit dem bereisten Streckenabschnitt abzugleichen. Beschriebene Pisten waren wie von Zauberhand von Dünen überweht; an kriegerische Handlungen, vor denen eindringlich gewarnt wurde, konnten sich nur die ganz Alten  noch erinnern. Immerhin: es gab mal Krieg.

 So war nicht alles schlecht und nicht alles falsch. Aber so wie der Herr seine Gebote (die er dem Moses gegeben hat), so hält auch der Klaus sein Büchlein für ewig gültige Wahrheit und druckt flugs zig Jahre alte Informationen,  als seien sie in Stein gemeißelte Wahrheit. Läßt sich ja auch prima mit Geld verdienen. Hut ab, das muss man erst mal bringen. Was meint da der Verlag dazu? Egal.

Nun denn, den Mutigen gehört die Welt.

 

02.12.1 Fahrt Richtung Niger

 

Wir fahren im Mini - Konvoi mit den Schweizern und ihrem Mitsubishi. Auf Wellblech. Bei Wellblech hast du zwei Möglichkeiten.: entweder fährst du fast Schritt, oder du gibst richtig Gummi , dann hast du nur noch leichte Vibrationen. Möglichkeit eins nervt, Möglichkeit drei (bisher nicht erwähnt: moderates Tempo, du wirst völlig durchgeschüttelt) entfällt sowieso. Also Gummi. Geht ganz gut, solange nicht plötzlich und zu spät erkannt eine übergroße Welle oder ein tiefes Loch kommt. Dann bretterst du voll rein.

Genau das ist leider passiert. Wumm. Großer LKW, wiegt viel, schlägt sich dann selbst k.o..

Aber wir fahren erst mal, d.h. ich fahre, weil Jonas ist ernsthaft krank. Durchfall und Fieber.

 

 

03.12

 

Katastrophe  in mehrfacher Hinsicht. Ich sehe eine Riesenbodenwelle zu spät, die Hexe (unser LKW) denkt kurz, sie könne fliegen und knallt dann unsanft auf: Jonas liegt hinten auf der Pritsche, wird übel herumgeschleudert und schlägt sich den Kopf auf. Ich fahr noch ein Stück weiter, zum einen weil`s Spaß macht, hauptsächlich aber weil  der  Motor lauter brüllt als Jonas. Irgendwann höre ich ihn dann doch. Da gibt es ein prima Bild: Jonas mit Kopfverband und irrem Blick in den Augen (über 39 Fieber). Stellt der Jonas natürlich nicht ins net.

Naja, wirklich lustig war das in der Realität nicht so sehr. Die Motoraufhängung war gerissen, mit viel Improvisation und der Hilfe von Hans-Jörg kriegten wir die Karre in stundenlanger Arbeit wieder flott. Wirklich harte Arbeit, aber wenigstens mussten wir nicht frieren, so in der Wüste.

Wir sollten an den Folgeschäden noch viel Freude haben.

 

 

04.12

 

Fehlt irgendwie in den (spärlichen) Aufzeichnungen.

Jonas fiebert, Dr. Danner (der Arzt, dem die Frauen vertrauen) verordnet Antibiotika und mischt ab und an den einen oder anderen Tranquilizer drunter. Dass der Bub auch schlafen kann. Geschadet hat´s nicht, genutzt aber auch nicht viel. Er bleibt nach wie vor aufsässig.

 

05.12.

 

Grenze Algerien - Niger. Alles wird gut. Die algerischen Grenzer sind voll krass korrekt Polizeibeamten, keine Korruption, keine Schikanen. In historischen, aber dennoch aktuell publizierten Berichten werden die Bedingungen anders dargestellt. Auf der nigerschen Seite sieht das dann doch anders aus. Während die algerische Station (die man allerdings erst mal finden und durch Weichsandfelder dann auch erreichen muss) noch so richtig nach Staatsbau aussieht, stehen ein paar Kilometer weiter einige Hütten mit korrupten Uniformträgern , umgeben von Schleppern.

Hurra, der Niger!!

Aber auch hier, alles in allem erträglich. Einfach nicht (zu sehr) neppen lassen.

Das schönste: Jonas ist wieder einigermaßen fit. Auch schlimmste chemische Keulen aus der Giftküche von Dr.D. konnten diesem Jungen nicht ernsthaft etwas anhaben. Und seine Rübe hält eh viel aus, zumindest was Durchschlagsfestigkeit betrifft. (Jonas braucht auf einem Motorrad nicht wirklich einen Helm.)

 

 

 06.12.

 

An diesem Tag schaffen wir unglaubliche 260 km (es gab immer wieder Tage, da kommen wir grade mal auf 60 oder 70). Nach anfänglichem Geholper und immer wieder tiefen Sand wird die Landschaft savannenartiger (d.h. hier und da wächst mal ein Pflänzlein klein).

Motoraufhängung nochmals repariert, hält (vorerst. Wir werden die noch so oft wechseln, dass es zur Routine wird „Du kochst, ich mach die Aufhängung“)

Wir fahren Richtung Ingal, laut Klaus sowas wie die verbotene Stadt.

Hans-Jörg hat die russischen Generalstabskarten auf einem modernen Laptop. Zusammen mit einem GPS, das nicht nur zum Wandern gedacht ist wie unseres, lässt sich die Routenplanung dann sehr gut umsetzen.

(Nichts gegen unser GPS. Hat uns die ganze Zeit ohne Hans auch gereicht)

 

 

nochmal 06.12. war irgendwie doppelt

 

Begegnung mit Bororo - Nomadenfrauen. Lässt sich schwer in Worte fassen, hat insgesamt irgendwie etwas unwirkliches, auf angenehme Art. So ähnlich wie mit E.T.

Die Frauen reisen ohne Männer, genießen wie bei vielen anderen Nomadenvölkern auch ein hohes Maß an Eigenständigkeit. Wüsten - Bororo sind nicht islamisiert.

Nun, wir begegen uns. Sie bleiben stehen, wir bleiben stehen. Sie nähern sich auf eine höfliche, fast schüchterne Art und bieten uns Buttermilch an. Aus Tierhautschläuchen, getrunken wird aus einem Gefäß, das eine der Frauen zuvor als Kopfbedeckung benutzt hat. Eben diese Frau hat ein sehr altes Gesicht, zerfurcht. Sie stillt ihr Baby. Das Leben in der Wüste hält nicht unbedingt jung.

 

Später dann noch Besichtigung eines versteinerten Waldes bei Ingal. Auch irgendwie unwirklich.

 

Fahrt nach Agadez, Strasse in der Nähe der Stadt geteert, gut zu fahren, aber totlangweilig.

 

In Agadez nach Genuss von zwei kleinen Bieren blau. Jaja, die Alkoholtoleranz lässt doch nach, wenn man nie trinkt. Allerdings war heute auch unser wöchentlicher Lariam-Tag (Malariaprophylaxe).

 

 

06.12. auch doppelt, die Uhren in Afrika gehen eben anders.

 

Den ganzen Tag Wartungs- und Reparaturarbeiten (Lima u.a.)

 

Am zweiten 06.12. meiner Aufzeichnung gehen wir Agadez anschauen. Berühmte Moschee, alter Markt. Viel Abzocke, Touri - Läden mit Schildern auf deutsch („alte Tuareck-Sachen“). Aber wir selbst sind ja mit Schuld an dem Scheiß.

Alles in allem ist Agadez trotzdem beeindruckend. Viele Tuareck, auch noch mit viel Stolz.

 

 

07.12. fehlt. So was.

 

 

08.12.

 

Langsam macht sich etwas schlechte Stimmung zwischen Hansjörgs und Jonas und mir breit. Teils waren wir eh genervt, teils wird unterschiedliche Reiseauffassung zum Problem.

Soviel zur Aufzeichnung.

 

 

09.12.

 

Fahrt Richtung Zinder. Jonas und ich werden beide krank, Durchfall und hohes Fieber. Beide schwach.

Abends schon wieder Ärger mit Hans-Jörg. Wegen der Reiseauffassung. Na ja, eher wegen dem Ego. Wir haben halt auch eins und möchten`s gern behalten.

 

 

10.12.

 

Ging ans Fieber verloren. Jonas geht´s viel schlimmer als mir, ich fahre. Das ist auf Dauer recht anstrengend, normalerweise wechseln wir uns täglich ab.

 

 

11.12.

 

Immer noch Richtung Zinder, unterwegs an Dorf angehalten, sehr angenehm, nette Leute.

In Zinder Einkäufe, Reparaturen am gebrochenen Kofferaufbau und an den Glühkerzen.

Jonas geht´s besser.

 

 

12.12

 

Guter Tag, wieder allgemein etwas bessere Stimmung.

Abends suchen wir wie immer einen vor Blicken geschützten Schlafplatz abseits der Route. Zunächst bleiben wir in einem Weichsandfeld stecken, wir haben mit beiden Fahrzeugen große Mühe. Jonas testet bei dieser Gelegenheit die Kupplung, sie hielt.

Nach viel Graben und auch dem Einsatz von Sandblechen können wir  kurz vor dem schnell einsetzenden  Sonnenuntergang dann noch den Weichsand hinter uns lassen und lagern ein gutes Stück abseits der Piste.

Wir haben es uns gerade gemütlich gemacht, als wir näher kommende Scheinwerfer und lautes Singen wahrnehmen.

Direkt auf uns zu, was natürlich ein klein wenig verunsichert. Ich trete ein Stück vor, eine Schaufel in der Hand.

Das Fahrzeug hält direkt auf mich zu, bleibt schließlich im Sand stecken. Es ist ein alter Landrover, beladen mit so vielen Männern, wie es eben nur in Afrika geht. Nun will ich mich eigentlich nicht ganz kampflos aufgeben, andererseits.. das waren locker 30 Leute. Ich weiß, glaubt einem keine Sau, 30 Leute auf einem Jeep. War aber so.

Ich stehe also im Scheinwerferlicht, lege erst mal die Schaufel weg und mein strahlendes Lächeln auf . Was für eine Situation. Ich gehe dann weiter auf die zu, ist jetzt eh schon egal. Und siehe da : die lachen zurück. Keiner kann ein Wort französisch oder sonst was, aber man will uns nichts tun. Die Idioten haben sich einfach verfahren, weil die unseren Spuren nach sind. Das muss man sich mal vorstellen. Diese einheimischen Spurenleser.

Die Verständigung erfolgt unter pantomimischen Höchstleistungen. Die haben dann auch kapiert, dass wir uns ganz schön erschreckt haben, und allgemein wurde viel gelacht. Haha.

Na ja, andereseits.. die hätten uns auch einfach so abmurksen können, so in the middle of nowhere.

 

 

13.12

 

Diffa, schön schmuddliger Markt. Wir müssen Geld wechseln und werden gut abgezockt. Getankt.

 

 

14.12.

 

N´Guigmi, Grenze zum Tschad, die Schweizer ziehen sich so eine Art Formalitäten - Reiseführer an Land. Na ja.

 

 

 

15.12

 

Grenze Tschad, ich liege, habe hohes Fieber und kann nur hilflos hinnehmen, was so läuft. Die Region ist offensichtlich unsicher, die Menschen verstecken sich in den Dörfern, das Militär benimmt sich aggressiv.  An der Grenzstation hängen dann Fotomontagen von kannibalistischen Exzessen an der Wand, die Zöllner fuchteln mit ihren Knarren rum und benehmen sich merkwürdig. Die ganze Gegend stinkt.

 Ausgerechnet  in der Situation leistet sich Hans einen großen Auftritt und legt sich mit den Zöllnern an. Ich lege mich hin, mir war dann irgendwann  alles egal. Ein schöner Tag zum Sterben.

 Im Nachhinein denke ich, o.k., ich war krank, aber nicht so krank. Aber in diesen Stunden, da habe ich den Tod doch sehr nahe gefühlt.

Irgendwie kommen wir doch durch die Grenze. Auch auf den ersten Kilometern im Tschad sind die Leute entweder  ängstlich oder aggressiv. Oder beides.

Als wir das erste Mal wieder in einem Dorf von furchtbar nervenden Kindern umlärmt werden, atmen wir auf.